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Aus der Praxis

Was haben eine sprechende Zahnbürste und eine Aufladestation für E-Bikes gemeinsam?

Schlossinternat Hansenberg

© Schlossinternat Hansenberg

Eine sprechende Zahnbürste, eine färbende Flüssigseife, eine Aufladestationen für E-Bikes und Ortungsgeräte für entlaufende Haustiere: Das sind nur vier von vielen Ideen, die Schülerinnen und Schüler Jahr für Jahr in einem kleinen Ort im hessischen Rheingau ans Licht der Geschäftswelt bringen. Vor zwanzig Jahren öffnete die Internatsschule Schloss Hansenberg in Geisenheim ihre Pforten. Seitdem räumen ihre Schülerinnen und Schüler die Siegespreise bei den Wettbewerben der Initiative „Unternehmergeist in die Schulen“ ab. Bereits fünfmal gewannen die Internat-Teams den Deutschen Gründerpreis für Schlüer:innen, allein dreimal bei den vergangenen vier Ausgaben. Und auch bei den Wettbewerben business@school und JUGEND GRÜNDET ernten sie immer wieder höchste Lorbeeren.

Vater der Erfolge ist Paul H. Rauh, Mitbegründer der Internatsschule mit etwa 200 Schülerinnen und Schülern und inzwischen Lehrer für Politik, Wirtschaft, Englisch und Ethik im Ruhestand. Seit 2019 führt Kerstin Nowak federführend das Wettbewerbsprojekt weiter. Rauh hat gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen zahlreiche Lehrideen entwickelt, unter anderem das Wettbewerbskonzept BIRTH („Business Innovation Responsibility Technology @ Hansenberg“), der Nährboden, auf dem die Erfolge des Gymnasiums gedeihen. Auch jetzt begleitet der Mann mit dem Schnauzer und den wachen Augen „seine“ Teams und unterstützt mit Rat und Tat.

Die Internatsschule Schloss Hansenberg ist ein öffentliches Oberstufengymnasium mit mathematisch-naturwissenschaftlichem und politisch-wirtschaftlichem Schwerpunkt. Sie hat einen klaren Auftrag und verfolgt ein anspruchsvolles Ziel: „Wir fördern besonders leistungsmotivierte und sozial engagierte Schülerinnen und Schüler, um sie zu Persönlichkeiten heranzubilden, die bereit und in der Lage sind, Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen“, sagt der Schulleiter, Thomas Heins. Gleichzeitig arbeitet sie eng mit der Wissenschaft zusammen, um neue Formen und Strukturen des Unterrichts zu entwickeln, immer mit dem Fokus, mit Unterrichtsformen, die Eigenständigkeit und Eigenverantwortung konsequent zu fördern.

Erfolgskonzept BIRTH

Die Erfolge geben der Schule und ihrem BIRTH-Konzept recht. Darin werden selbstgesteuerte Teams von zwei bis zehn Teilnehmenden speziell in interdisziplinärem, projektorientiertem und kreativem Denken und Handeln gefördert. Das selbstständige Handeln der Schülerinnen und Schüler sowie die enge Kooperation mit den Naturwissenschaften, den Schülersenioren, Ehemaligen und der Elternschaft der Schule liegen Rauh besonders am Herzen. Die Internatsschule hat dafür 2017 den 1. Platz im „Deutschen Unternehmensförderpreis“ gewonnen und wurde bereits 2014 von der OECD als „one of the top twenty, most inspiring Projects in Europe“ anerkannt.

Paul Rauh

Die Internatsschule Hansenberg sucht die Wettbewerbe, an denen die Schüler:innen teilnehmen, gezielt aus, immer der jeweiligen Altersstufe entsprechend. In der 10. Klasse sind das vor allem IW JUNIOR und JUGEND GRÜNDET. „Auf dieser Ebene lernt man viel über die Steuerung von Teams und sehr viel Fachwissen“, sagt Rauh. In der 11. Klasse nimmt er dann vor allem den Deutschen Gründerpreis für Schüler und business@school ins Visier: „Hier sind die Anforderungen an die Teilnehmenden schon komplexer“, sagt der erfahrene Pädagoge, der jetzt im Ehrenamt auch Teams außerhalb der Schule berät. In der 12. und 13. Klasse bereiten sich die Schülerinnen und Schüler dann auf das Abitur vor und haben nicht mehr so viel Zeit für freiwillige, außerschulische Aktivitäten.

Integration der Eltern und gute Kooperationen mit Hochschulen der Region

Er mag diese Aufgabe sehr: Ich betreue die jungen Menschen als Coach, ich berate und begleite, das ist anders als im Unterricht.“ Seine Aufgabe sieht er in der Moderation des Gruppengeschehens. Die Verantwortung bleibe fast ausschließlich beim Team, für die Idee, für die Gruppendynamik und für das Ergebnis. Das sei das Geheimnis des Erfolges: Verantwortung geben und diese auch spüren lassen. So können die jungen Menschen den Unternehmergeist lernen.

Eine weitere Säule ist die systematische Integration der Eltern und eine gute Kooperation mit Hochschulen der Region. „Es ist immer wieder erstaunlich und enorm bereichernd, wie nachhaltig sie mit Fachwissen zur Verfügung stehen. Die regionalen Hochschulen Geisenheim, Wiesbaden, EBS University sowie die Frankfurt School, unterstützen uns gern bei diffizilen naturwissenschaftlich-technischen Problemen, oder bei Finanzierungsfragen“, so Rauh. Denn in den Projekten werden aktuelle Ergebnisse und Erkenntnisse aus Naturwissenschaft und Technik mit den eigenen Businessideen verknüpft. Diese Start-up-Kultur werde an der Internatsschule Schloss Hansenberg im Rahmen erprobter, langjährig bewährter Businesswettbewerbe gefördert.

„Diese Erlebnisse verstärken die intrinsische Motivation"

Der Austausch auf Augenhöhe mit gestandenen Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftlern, Unternehmerinnen und Unternehmern, um ihnen ihre Projektergebnisse zu präsentieren, motiviert junge Menschen enorm. „Diese Erlebnisse verstärken die intrinsische Motivation immens. Die Erfahrung der Selbstwirksamkeit, die Gruppendynamik im Team, und die gemeinsamen Erfolge prägen ein Leben lang“, so die langjährige Beobachtung am Hansenberg.

Und auch die sogenannten Softskills üben die Jugendlichen bei den Projekten, z.B. Teamfähigkeit, Kommunikationsstärke, Kritik- und Konfliktfähigkeit, analytisches Denken, Kreativität und Organisationstalent. Eines erstaunt immer wieder: „Wie intensiv sich innerhalb von nur einem Jahr junge Menschen zu Führungskräften, und Experten in ihrem selbstgewählten Zuständigkeitsbereich entwickeln.“ In diesem Punkt sind sich der pensionierte Lehrer Paul Rauh und die aktive Lehrkraft Kerstin Nowak einig: „Deutschland braucht unbedingt eine intensivere Start-up-Kultur, und die beginnt eben in der Schule!“