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Aus der Praxis

Die Schülerinnen und Schüler haben darauf richtig Lust und freuen sich, weil es mal etwas Anderes ist.

Marco Malitius ist Lehrer am Heisenberg Gymnasium in Hamburg-Harburg und führt im Rahmen seines Wirtschaftsunterrichts seit einigen Jahren unterschiedliche Projekte zur Förderung des Unternehmergeistes durch, darunter auch das Spiel SCHUL/BANKER – mit Erfolg: Das von ihm betreute Team „Turbo-Bank“ konnte in diesem Jahr in Berlin den ersten Platz erzielen.

Das Gespräch mit Marco Malitius wurde vom RKW Kompetenzzentrum durchgeführt.

Welche Fächer unterrichten Sie und seit wann führen Sie Projekte aus dem Bereich Entrepreneurship Education durch?

Ich unterrichte Geschichte, Religion, Wirtschaft und PGW, das gibt es in Hamburg und steht für „Politik, Gesellschaft, Wirtschaft“. Projekte wie zum Beispiel SCHUL/BANKER führe ich seit ca. sechs oder sieben Jahren durch.

Wie sind Sie damals darauf gekommen?

Vor ein paar Jahren haben wir an der Schule das Fach Wirtschaft eingeführt. Ich habe überlegt, was man machen könnte, um das Fach interessant zu gestalten und mich umgesehen, was es für Angebote an Planspielen und Ähnlichem gibt. Darauf basierend habe ich für das Fach Wirtschaft ein eigenes Curriculum entwickelt und habe da diese Inhalte und Projekte mit eingebaut.

Das heißt, die Projekte sind für die Schülerinnen und Schüler verpflichtend?

Für die Schülerinnen und Schüler ist das Fach Wirtschaft ein Wahlfach, aber die Projekte sind dann im Rahmen des Unterrichts Pflichtprojekte.

Mit welchen Projekten aus dem Bereich Entrepreneurship Education arbeiten Sie genau?

Wir haben mehrere Projekte ausprobiert und auch laufen. Eins der ersten Projekte, auf das ich gestoßen bin, ist SCHUL/BANKER, das machen wir also nun seit fast sieben Jahren. Außerdem haben wir mehrere Jahre in Folge am Deutschen Gründerpreis teilgenommen und am Planspiel Börse, bei dem wir intensiv von unserem Kooperationspartner der Sparkasse Harburg-Buxtehude betreut werden. Jedes Jahr verlässt der Wirtschaftskurs der 11. Klasse für zwei Tage die Schule, um in dem vom Hamburger Welt Wirtschaftsinstitut HWWI entwickelten Planspiel FidZ (Finanzen in der Zukunft) zu versuchen, den Hamburger Haushalt zu sanieren. Letztes Jahr habe ich bei der Joachim Hertz Stiftung die Kursleiter-Lizenz für WIWAG erworben. Das ist ein ganz hervorragendes, sehr komplexes Planspiel, bei dem die Schülerinnen und Schüler ein Produkt auswählen können und dann eine fiktive Firma leiten. Sie müssen in ihren Rollen als Vorsitzende, Personalchefs, Verantwortliche für Marketing, Prozesse oder Finanzen zahlreiche Entscheidungen treffen, um sich im Wettbewerb gegen die anderen Teams des Kurses behaupten zu können. Dieses Spiel läuft bei uns über ein halbes Semester.

Was zeichnet Maßnahmen aus dem Bereich Entrepreneurship Education Ihrer Meinung nach aus?

Generell natürlich die Tatsache, dass es kein herkömmlicher Unterricht ist, sondern dass die Schülerinnen und Schüler ganz konkret an praxisbezogenen Projekten arbeiten, in der Regel ja auch im Team. Die Projekte finden auch in einem anderen Rahmen statt als der normale Unterricht, nämlich über einen bestimmten Zeitraum, in dem man konkret in einem Team auf ein Ziel hinarbeiten, am Ende ein Ergebnis hat und sich auch in einem Wettbewerb mit anderen Teams messen kann. Ganz entscheidend finde ich aber auch, dass die Jugendlichen konkret selber etwas entwickeln, selber Entscheidungen treffen und auch dahinter stehen müssen, also verantwortlich sind für das, was sie machen, und sich dabei über „learning by doing“ in Themen einarbeiten.

Was sind die größten Herausforderungen, denen Sie begegnen?

Wenn die Maßnahmen einen projektorientierten Ablauf haben, ist die größte Herausforderung, das mit einem vollen Stundenplan in Einklang zu bringen. Das gilt zum Beispiel für FIdZ, ein Projekt, bei dem die Schülerinnen und Schüler auch mal zwei Tage auf Exkursion sind. SCHUL/BANKER dagegen kann ich recht gut in den Unterricht einbauen. Aber bei einem Spiel, das vier bis sechs Stunden pro Woche braucht, muss ich mich mit anderen Lehrkräften abstimmen, weil ich die Schülerinnen und Schüler dann auch mal aus deren Unterricht raushole und Termine freischaufeln muss, an denen alle weg sein können. Und dann muss ich von den Teilnehmenden natürlich auch manchmal verlangen, mehr Zeit aufzuwenden, als ich in ihrem Stundenplan eigentlich habe, und der ist für Oberstufenschülerinnen und -Schüler schon recht voll. Das alles geht natürlich nur, wenn es den Schülerinnen und Schülern auch wirklich Spaß macht.

Wie ist die Resonanz bei den Teilnehmenden? Besteht die Bereitschaft, auch mal mehr Zeit zu investieren?

Bei uns ist Wirtschaft ja Wahlfach. Das heißt, die Schülerinnen und Schüler haben Wirtschaft bewusst gewählt, und in der Regel ist die Zustimmung ziemlich hoch. Viele von ihnen wählen das Fach, weil sie sagen: Eigentlich wissen wir über Wirtschaft viel zu wenig, ich möchte mehr darüber erfahren, Wirtschaft ist wichtig, für den Alltag, aber vielleicht auch für meinen späteren Berufsweg. Es besteht also schon ein großes Interesse, insbesondere weil es bei uns kein typisches Unterrichtsfach ist mit Lehrbuch und so, sondern durch die vielen spielerischen Elemente ganz anders daherkommt. Das weckt bei einem Großteil der Schülerschaft die Bereitschaft, da eine Menge Arbeit reinzustecken und Zeit zu investieren. Gerade auch, wenn sie dabei – und da nehme ich SCHUL/BANKER jetzt mal als Beispiel – auch Erfolge verzeichnen können.

Wie motivieren Sie die Schülerinnen und Schüler?

Unsere Schülerinnen und Schüler sind jetzt einige Jahre hintereinander beim SCHUL/BANKER-Finale in Berlin gewesen, ich glaube, dieses Jahr war das fünfte Mal in Folge. Das ist natürlich eine große Motivation. Nicht nur weil man einen Preis gewinnen, sondern auch auf Wochenendexkursionen fahren kann und dort anderen Schülergruppen begegnet. Zusätzlich wird bei uns der „Tag der Wettbewerbe“ einmal im Jahr an das Schulfest gekoppelt. An diesem Tag stellen die Schülerinnen und Schüler aller Klassenstufen vor der ganzen Schülerschaft auf einer Bühne die Wettbewerbe vor, an denen sie erfolgreich teilgenommen haben. Außerdem erzählen die älteren Schülerinnen und Schüler im Rahmen der Präsentation der Oberstufenprofile* davon, weil das für dieses Profil ein bisschen das Spezifische ist. So erfahren auch die jüngeren Jahrgänge, dass in der Oberstufe diese Spiele gespielt werden und es etwas zu gewinnen gibt, und dann kommt auch mal die Frage: Können wir das auch machen? Das kommt gar nicht so selten vor. Die haben darauf richtig Lust und freuen sich, weil es mal etwas Anderes ist.

Welche Wirkung hat die Teilnahme Ihrer Meinung nach auf die Jugendlichen?

In Bezug auf die Persönlichkeitsentwicklung würde ich sagen, dass sie Verantwortungsübernahme lernen, aber auch Teamarbeit – dass ein Team sich finden, zusammen Kompromisse schließen und gemeinsam an einem Ziel arbeiten muss. Dann kommt natürlich noch das Fachwissen dazu: Die Schülerinnen und Schüler müssen sich zum Beispiel einarbeiten in Bilanzen und Ähnliches – nicht weil sie das Wissen für eine Klausur benötigen, sondern weil sie es brauchen, um erfolgreich zu sein im Wettbewerb. Bei den Wettbewerben können die Jugendlichen auch ihre individuellen Stärken gut einbringen. Für WIWAG zum Beispiel müssen sie sich für die Vorstandsposten, die es da zu vergeben gibt, bewerben. Da soll dann jeder benennen: Was sind meine Stärken und Schwächen? Oder: Was kann ich in so eine Firma einbringen? Jemand, der großes Interesse am Künstlerisch-Darstellerischem hat, der möchte vielleicht gern im Bereich Marketing aktiv sein. Jemand anderes sagt: Ich bin eher mathematisch orientiert, deshalb mache ich die Bilanzen.

Wie sind die Reaktionen auf diese Aktivitäten bei der Schulleitung?

Die Schulleitung unterstützt mich sehr gut bei derartigen Aktivitäten, weil diese Wettbewerbe die Kriterien von gutem Unterricht erfüllen und es sich natürlich auch im Umkreis herumspricht, dass das Heisenberg Gymnasium in diesem Bereich viel macht und die Projekte gut laufen. Wenn dann auch noch die Presse über Erfolge unserer Schülerinnen und Schüler berichtet, hat das auch eine gewisse Strahlkraft für die Schule.

Wie definieren Sie Ihre Rolle im Rahmen der Maßnahmen und Projekte?

Ich bin auf jeden Fall nicht der klassische Lehrer bei den Planspielen. Ich führe das Planspiel zwar in den Unterricht ein, im Spiel selber sind aber die Jugendlichen aktiv und ich bin dann quasi „nur“ Berater und muss am Ende die Leistung der Schülerinnen und Schüler bewerten. Die Teilnehmenden wissen, was sie machen müssen, was das Ziel des Ganzen ist, und haben feste Zeiten, die sie sich selbst organisiert einteilen können. Ich bin da und frage, ob es Probleme gibt oder Hilfestellung benötigt wird, erinnere auch manchmal an Abgabefristen, aber wenn es gut läuft, beachten die Schülerinnen und Schüler mich im Unterricht manchmal gar nicht, weil sie so vertieft in das Spiel sind.

Warum ist Ihnen die Vermittlung von Unternehmergeist in der Schule wichtig?

Wir haben eine große Sparte zur Berufsorientierung bei uns an der Schule. Das spielt eine wichtige Rolle und ist Teil unseres Schulkonzepts, weil wir die Schülerinnen und Schüler vorbereiten wollen auf das, was nach der Schule kommt. Für alle stellt sich die Frage: Was ist der berufliche Weg, den ich einschlage? Ich habe vor Kurzem einen Artikel über einen ehemaligen Schüler gelesen, der mit jetzt 26 Jahren diverse Firmen gegründet hat und extrem erfolgreich ist. Unsere Schule hat er damals nach der 10. Klasse verlassen, weil es ihn genervt hat, sich Dinge ohne praktischen Bezug anzuhören. Stattdessen hat er sich um seine eigene Firma gekümmert. Mir scheint es sehr wichtig zu sein, den Kreativen und den potenziellen Gründerinnen und Gründern in der Schule den Raum zu geben, sich nicht zu langweilen, sondern ihre Kreativität produktiv einbringen zu können und den Schülerinnen und Schülern klarzumachen, es gibt auch diesen dritten Weg – neben Studium und Ausbildung. Der Weg in die Selbständigkeit steht auch euch offen. Natürlich tragen die Planspiele dazu bei.

Würden Sie anderen Lehrkräften die Durchführung solcher Maßnahmen empfehlen?

Ja, das mache ich auch. Wir berichten uns gegenseitig von unseren Erfahrungen, es werden auch mal gemeinsam Projekte angestoßen. Wenn jemand gute Erfahrungen macht, wird das verbreitet und bei der Fachkonferenz vorgestellt, und dann kann jeder entscheiden, ob er da auch einsteigen möchte.

* Schülerinnen und Schüler in Hamburg wählen in der Oberstufe als Ergänzung zu den Pflichtfächern bestimmte „Profile“ (Lehrfächer im Verbund), um Kenntnisse in einzelnen Fächern und Themengebieten, je nach individuellen Neigungen, Interessen und Stärken zu vertiefen. In den Profilen wird die Fachorientierung zusätzlich durch eine fächerverbindende Arbeitsweise ergänzt.