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Aus der Praxis

Die Aufgaben, die die SchülerInnen in der Schülerfirma durchführen – das kann der Unterricht nie erfüllen.

Christine Nonnenmann arbeitet als Lehrerin für das Fach Wirtschaft am Otto-Hahn-Gymnasium in Ostfildern seit 2005 mit dem Projekt IW JUNIOR und betreut Schülerfirmen in der gymnasialen Oberstufe – mit großem Erfolg: So konnte sie sich bislang nicht nur über diverse Preise für ihre Schülerprojekte freuen, sondern auch über die Wirtschaftsmedaille des Landes Baden-Württemberg, die ihr im Jahr 2013 verliehen wurde.

Das Gespräch mit Christine Nonnenmann wurde vom RKW Kompetenzzentrum durchgeführt.

Warum haben Sie sich dafür entschieden, mit IW JUNIOR zu arbeiten?

Ich arbeite seit 2005 mit JUNIOR. Ich habe mir auch andere Projekte angeschaut, die waren mir aber zu streng und weniger praxisnah. JUNIOR hat diesen großen Vorteil, dass man vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln begleitet wird. Ich habe schon 2005 da mitgemacht, da gab es noch keine Internet-Plattform, die SchülerInnen mussten alles in Schriftform nach Köln schicken. Die erste Schülerfirma hat dann damals bei der Bildungsmesse „didacta“ gleich gewonnen. So fing eigentlich bei mir das Projekt an, mit großem Erfolg, und so bin ich bei JUNIOR geblieben. JUNIOR ist für mich auch deshalb ideal, weil die SchülerInnen die Geschäftsidee selber entwickeln können.

Sind die Schülerfirmen Bestandteil des Regelunterrichts oder freiwillige Aktivitäten?

Bis vor zwei Jahren war das JUNIOR-Projekt Teil des Wirtschaftsunterrichts. Die Theorie haben wir im Unterricht durchgenommen, die Ausführung fand dann nachher außerhalb des Unterrichts statt. Ich habe die SchülerInnen da ganz frei entscheiden lassen, und die fanden es gut, dass es auch praxisnahe Elemente im Unterricht gab. Seit zwei Jahren läuft das Projekt außerhalb des Unterrichts, was aber auch bedeutet – was ich persönlich überhaupt nicht gut finde –, dass nicht alle SchülerInnen aus dem Wirtschaftskurs an einer JUNIOR-Firma teilnehmen. Jetzt bekommen die SchülerInnen das Projekt auf ihre Stundentafel mit drei Stunden angerechnet. Allerdings sind drei Stunden natürlich viel zu wenig für so ein Projekt.

Mit welcher Altersgruppe führen Sie die Projekte durch?

Die SchülerInnen sind im Moment so um die 16 Jahre alt. Für jüngere SchülerInnen gibt es an unserer Schule keinen Raum, um so etwas zu machen. Allerdings haben wir in Baden-Württemberg ab 2016 ja einen neuen Bildungsplan, und da wird es dann Möglichkeiten geben für Entrepreneurship Education auch bei jüngeren SchülerInnen.

Welche Herausforderungen ergeben sich für Sie bei der Durchführung von Entrepreneurship-Education-Projekten?

Die größte Herausforderung ist tatsächlich das Timing, also die Organisation. Viele SchülerInnen haben einen Job neben der Schule, dann kommt noch dazu, dass die meisten ein Hobby haben, sei es musischer oder sportlicher Art. Dann kommen die Klausuren, die ja terminiert sind, und dann gibt es eben Termine, die sich mit JUNIOR in Köln überschneiden. Das Zeitmanagement ist also eine richtige Herausforderung für die SchülerInnen, aber das klappt meist nach einigen Wochen.

Wie motivieren Sie Ihre SchülerInnen zu der Teilnahme an Entrepreneurship-Education-Projekte und auch während der Arbeitsphase?

Die Motivation ist zunächst einmal der Erfolg, aber auch, etwas Neues auszuprobieren. Das Fach Wirtschaft ist in der Kursstufe ja tatsächlich neu, und die guten SchülerInnen sind einfach neugierig, die sagen, wir wollen jetzt mal Wirtschaft machen, wir wissen gar nicht, was da auf uns zukommt. Und die Motivation wird in der Regel auch unterstützt von den Eltern, die sagen: Wenn Wirtschaft angeboten wird, und du die Arbeit an der Schülerfirma sogar ins Abitur einbringen kannst, dann mach es einfach*. Ich lasse aber die SchülerInnen, die neu damit beginnen, auch mit den ehemaligen TeilnehmerInnen der Schülerfirmen alleine reden, das funktioniert dann wie Mundpropaganda.

Welchen Lernprozess können Sie bei den SchülerInnen im Laufe der Projekte beobachten?

Mein erster Satz bei jeder Schülerfirma ist immer: Jeder von euch besitzt ein Talent. Und jetzt könnt ihr mal innerhalb dieser Firma sehen: Wo sitzen meine Talente, und wo nicht? Und das war eigentlich bei allen SchülerInnen immer der größte Erfolg, das haben die am Ende auch alle gesagt. Es gibt dann zum Beispiel SchülerInnen, die kommen hinterher zu mir und sagen, Frau Nonnenmann, ich werde nie ein Leader sein, ich kann das gar nicht. Diese Talente herauszufinden, das ist wirklich eine der Aufgaben des Projekts. Außerdem übernehmen die SchülerInnen natürlich ganz große Verantwortung für den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens. Überhaupt das ganze Projekt ist ein Lernprozess. Die SchülerInnen haben ja gewisse Verhaltensregeln nie gelernt. Woher denn auch? Deshalb übe ich das mit denen, zum Beispiel telefonieren mit wichtigen Persönlichkeiten, oder auch: Wie gehe ich mit Kunden um? Die Aufgaben, die die SchülerInnen in der Schülerfirma durchführen, das kann der Unterricht nie erfüllen. Das ist eine der zentralen Botschaften. Die ganze Kommunikation zum Beispiel, wo läuft die so im Unterricht? Das ist alles wichtiges Rüstzeug für den Beruf.

Welche Rolle nehmen Sie bei den Entrepreneurship-Education-Projekten ein?

Das ist eine Coach-Funktion. Dieses Coaching muss laufen, und zwar mit einer gewissen Distanz. Das heißt, die SchülerInnen müssen Entscheidungen selber treffen. Auch in Situationen, wo ich als Lehrerin eventuell Fehler vorhersehe, muss man die SchülerInnen einfach mal laufen lassen.

Wo nehmen Sie die Motivation her?

Mein „Benefit“ an dem Ganzen ist eigentlich, dass ich als Lehrerin die SchülerInnen wirklich auf den richtigen Weg führen kann, gerade in Sachen Talentförderung. Mehr nicht. Ich bin auch nie auf der Bühne, ich möchte das auch gar nicht. Ich möchte überhaupt nicht im Vordergrund stehen. Das ist nicht meine Motivation, sondern die Motivation ist wirklich, jungen Leuten auf den Weg zu helfen. Abgesehen davon macht es einfach Spaß, mit denen zu arbeiten.

Gibt es „Erfolgsgeschichten“ von ehemaligen SchülerInnen?

Auf jeden Fall! Ich habe einen ehemaligen Schüler, der schon 2009 eine Firma gegründet hat, die es auch immer noch gibt. Der studiert und arbeitet parallel als Werkstudent bei einem Automobilhersteller. Ein anderer Schüler ist jetzt zum Studium in Singapur, eine ehemalige Schülerin arbeitet bei einem großen amerikanischen Internet-Unternehmen… Wenn SchülerInnen Verantwortung übernehmen in der Firma, in einer leitenden Funktion, dann schreibe ich diesen SchülerInnen auch zum Beispiel Empfehlungsschreiben für Stiftungen. Und alle SchülerInnen, die sich bislang beworben haben, etwa bei der Konrad-Adenauer-Stiftung oder der Friedrich-Ebert-Stiftung, haben auch ein Studien-Stipendium bekommen. Das ist natürlich ein toller Erfolg, für den die SchülerInnen auch immer sehr dankbar sind.

Würden Sie die Arbeit mit Entrepreneurship-Education-Projekten grundsätzlich empfehlen?

Na klar! Ich sehe es vor allem als einen großen Gewinn, dass hier das Arbeiten mit den SchülerInnen auf Augenhöhe geschieht. Die Lehrerrolle tritt in den Hintergrund, man arbeitet mehr als Coach. Das ist eine ganz neue Erfahrung, sowohl für mich als Lehrerin als auch für die SchülerInnen.

* Anmerkung der Redaktion:
In Baden-Württemberg können SchülerInnen die Abschlusspräsentation ihre Entrepreneurship-Education-Projektes als Prüfungsbestandteil in die Abiturleistung einbringen.