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Aus der Praxis

Experten durch Motivationsschub

Interview mit Judith Strohm von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung zum Projekt Lab2Venture (vom BMWi gefördert).

Foto von Judith Strohm

Interview mit Judith Strohm

Frau Strohm, Ihr Projekt Lab2Venture findet in Schülerlaboren statt. Was sind Schülerlabore?

Strohm: Schülerlabore sind außerschulische Lernorte. Sie sind angebunden an Universitäten oder außeruniversitäre Forschungseinrichtungen. Wir bewegen uns da auf jeden Fall im Bereich von MINT, Naturwissenschaften und Technik. Die Jugendlichen haben die Möglichkeit, entweder mit einem Lehrer dorthin zu kommen im Rahmen von Unterricht oder Projekttagen. Viele Schülerlabore haben inzwischen aber auch AGs eingerichtet, in denen Jugendliche ihren Forschungsfragen nachgehen können.

Und was genau passiert im Projekt Lab2Venture?

Strohm: Wir haben in dem Programm Lab2Venture, das in diesem Jahr begonnen hat, eine besondere Konstellation dadurch, dass wir einerseits zusammenarbeiten mit dem Bundesverband der Schülerlabore, andererseits aber auch mit TheoPrax, Fraunhofer ICT. Jugendliche können im Rahmen dieses Programms anwendungsorientiert forschen. Das heißt, nicht nur naturwissenschaftliche Fragestellungen kommen in den Blick, sondern auch ökonomische. Das passiert, indem sie einen konkreten Auftrag eines Auftraggebers bearbeiten. Das kann ein Unternehmen sein oder die Kommune oder auch eine Universitätsinstitution.

Wie sehen solche Aufträge aus?

Strohm: Zum Beispiel hat eine Gruppe sich schwerpunktmäßig mit Biofilmen beschäftigt. Das sind Mikroorganismen, die sich in Rohrleitungen und Schläuchen niederschlagen, sei es in der Getränkeindustrie oder auch im Krankenhaus. Es geht auf jeden Fall immer um Keime, die nicht gewünscht sind und die Frage, mit welchen umweltverträglichen Mitteln diese Keime bearbeitet werden können, weil sie natürlich in einem Katheterröhrchen oder in einer Bierleitung in einer Brauerei nichts zu suchen haben. Ein anderes Beispiel, das mich sehr beeindruckt hat, war eine Schülergruppe, die ein Testverfahren für Erdnussrückstände in Lebensmitteln verbessert hat. Es gibt da schon Verfahren, die aber sehr aufwendig sind. Diese Forschungsgruppe hat sich damit befasst, wie dieser Test, der letzten Endes ein DNA-Test ist, verbessert werden kann, damit besondere Allergiker sehr schnell wissen, ob ein Lebensmittel Rückstände von Erdnüssen enthält oder nicht. Gleichzeitig war mit diesem Auftrag auch die Frage verbunden: Wo lassen sich für ein solches Testverfahren neue Märkte erschließen? Spannenderweise hat die Schülergruppe festgestellt, dass Indien ein interessanter Markt wäre für ein Unternehmen, das einen solchen Erdnusstest vermarkten möchte.

Schüler bekämpfen Mikroorganismen oder entwickeln einen DNA-Test. Das sind Kompetenzen, die man ihnen auf den ersten Blick gar nicht zutraut.

Strohm: Genau. Diese Aussicht, dass es einen Auftraggeber gibt, der wirklich an den Ergebnissen interessiert ist und das, was erforscht wird, nicht nur für die Schublade oder für die Schulnote ist, sondern dass es ein Unternehmen gibt, das an diesen Ergebnissen großes Interesse hat, gibt einen großen Motivationsschub.

Und was genau bewirkt diese besondere Motivation?

Strohm: Der Auftrag kommt zwar erst mal von außen an die Schülerinnen und Schülern heran, aber ganz schnell wird das ihrs. Da gibt es eine unglaublich hohe Identifikation mit diesem Projekt. Und was wirklich überraschend ist, wie viel zeitlichen Aufwand, auch Freizeit, die Jugendlichen in dieses Projekt investieren. Bezogen auf ihr jeweiliges Thema werden sie innerhalb sehr kurzer Zeit – wir reden von vier Monaten, fünf Monaten maximal – zu Expertinnen und Experten. Einerseits gibt es schon erwachsene Begleiter, seien es Fachlehrer an der Schule oder wissenschaftliches Personal in den Schülerlaboren, das die Schülerinnen und Schüler unterstützt. Aber die Grundidee des Programms ist, dass die Schüler ihren Forschungsfragen möglichst eigenständig nachgehen. Dazu gehört auch, sich zu überlegen, woher sie die Information bekommen, die sie brauchen. Was muss ich wissen, was muss ich lernen, um mein Projekt bearbeiten zu können?

Wer schafft das? Woher kommen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer?

Strohm: Wir reden hier auf jeden Fall vom Sekundarschulenbereich, gleichwohl geht es nicht ausschließlich um Gymnasiasten, sondern wir haben alle Schulformen mit dabei. Das geht los bei der Werkrealschule in Baden-Württemberg über Waldorfschulen bis hin zu Gymnasien und Beruflichen Oberschulen. Wir haben eine sehr breite Palette und Jungen und Mädchen gleichermaßen. Insgesamt sind im Programm zehn Labore aktiv, an denen sich aktuell ungefähr 170 Schülerinnen und Schüler engagieren.

Wie kommen denn die Aufträge zustande? Man könnte ja vermuten, dass sich Unternehmen damit an professionelle Forschungsinstitute wenden, nicht an Schüler.

Strohm: Mein Eindruck ist, dass die Unternehmen auch stark an einer Nachwuchsförderung interessiert sind. Das Ganze spielt sich natürlich nicht außerhalb eines Kontextes ab, dem Fachkräftemangel in Deutschland. Hier sind die Unternehmen, die wir gewinnen konnten, auch solche, die sich selber in einer Verantwortung sehen, den Nachwuchs an solche Themen heranzuführen. Gleichzeitig glaube ich, macht es den Unternehmen und Unternehmern auch Spaß, mit den jungen Leuten zu arbeiten, noch mal neue Impulse und ein frisches Herangehen kennenzulernen, zu Themen, an denen sie selbst vielleicht schon Jahre arbeiten.

Wie geht es weiter, wenn die Schülerinnen und Schüler ihre Forschungen beendet haben?

Strohm: Im Juni und Juli finden die Abschlusspräsentationen für die Auftraggeber statt. Im Anschluss nehmen wir bis zu 40 Jugendliche mit in eine Sommerakademie, die iVenture Akademie. Dort haben die einzelnen Gruppen die Möglichkeit, sehr intensiv mit erfahrenen Teamerinnen und Teamern zu arbeiten und insbesondere den Fragen nachzugehen: Wie lässt sich aus diesem einmalig bearbeiteten Auftrag eine Geschäftsidee entwickeln? Also das kleine Einmaleins von unternehmerischem Denken und Handeln steht dort mit auf dem Workshop-Plan.

Weitere Informationen und Kontakt:
Judith Strohm
Deutsche Kinder- und Jugendstiftung gemeinnützige GmbH (DKJS)
Tempelhofer Ufer 11
10963 Berlin
Tel: +49-030 25 76 76-29
E-Mail: Judith.Strohm@dkjs.de