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Aus der Praxis

Die Hauptmotivation ist für mich, dass es den Schülern Spaß macht.

Interview mit Paul Rauh – Lehrer Internatsschule Schloss Hansenberg. Paul Rauh führt seit 1995 Entrepreuneurship-Education-Projekte durch.

Foto von Paul Rauh

Darum bin ich dabei: Ziele, Erfahrungen, Erfolgsfaktoren

  • Unser Konzept ist nachhaltig und wird schrittweise anspruchsvoller.
  • Die Schüler/-innen lernen in eigenverantwortlichen Teams die Grundlagen der VWL und BWL kennen.
  • Unternehmer/innen unterstützen sie als Mentoren.
  • Ältere Schülerjahrgänge unterstützen sie als Senior-Coaches.
  • Es macht den Schülern/-innen Freude, weil sie wahnsinnig viel lernen: Projektplanung, Teamarbeit, Präsentieren, die eigenen Schwächen und Stärken.
  • Bei business@school, der Bildungsinitiative von The Boston Consulting Group, haben wir den ersten Platz in Europa gemacht.

Herr Rauh, wie kamen Sie zur schulischen Entrepreneurship Education?

Vor der Schule war ich ja drei Jahre im Außendienst im Verkauf, dann sieben Jahre im nationalen und internationalen Pharma-Marketing. Zu den Wettbewerben kam ich im Prinzip in meinem zweiten Jahr an der Schule. Da kamen dann an meiner alten Schule ein paar Jungs auf mich zu: sie bräuchten einen Coach. Da habe ich überhaupt nicht verstanden, worum es ging. Ich sagte „Okay, wenn ihr jemanden braucht, geht klar!. Und das hat sich dann so positiv entwickelt. Das waren ganz tolle Jungs und das Team hat damals bei dem Vorläufer vom Deutschen Gründerpreis den 2. Platz geschafft. Das war total motivierend. Seitdem bin ich dabei. Und dann an der Internatsschule Schloss Hansenberg haben wir bei business@school gleich mit einem tollen Team den ersten Platz in Europa gemacht. Die Idee, die die Jungs damals hatten – das war ein Hunde- und Katzen-Suchhalsband, das hieß Pet-Search, also Lieblingstiersuche – das gibt es jetzt wirklich zu kaufen! Das Haustierhalsband gibt den Standort sofort durch. Mit GPS-Technik finden Herrchen und Frauchen ihre ausgebüchsten Lieblinge wieder. Letztes Jahr hatte das Team Parkolution bei Jugend gründet eine sehr gute Idee, fand ich. Die hatten beobachtet, dass LKWs bis auf die Autobahn hinaus parken und haben dann gesagt „Mensch, es müsste doch eigentlich eine Möglichkeit geben?“ Und haben ein LKW-Parkplatz-Reservierungssystem entwickelt. Und das haben die auch fast bis zur Produktreife ausgearbeitet. Dieses Jahr haben wir auch wieder einige sehr interessante Ideen. Ein Jugend-gründet-Team möchte die Schallwellen von Autobahnen oder Bahntrassen in elektrische Energie umwandeln. Das Team Nextar bei business@school hat ein innovatives, mobiles Datentransfergerät entwickelt, genannt „Das dING!“ Und den Bundesinnovationspreis von BCG und Dt. Börse AG dafür erhalten.

Sie haben ja ein ganz besonderes Entrepreneurship-Education-Konzept an Ihrer Schule. Wie kann man sich das vorstellen?

Das ist alles eingebaut in ein systematisch gestuftes Gesamtkonzept „Wirtschaftswettbewerbe und Berufs- und Studienorientierung“. Wir beginnen in der 10. Klasse mit einer Wirtschaftswoche, intensiv mit externen Trainern, mit zwei Systemplanspielen zur Wirtschaft und Politik eines Landes bzw. Betriebes. So lernen alle in eigenverantwortlichen Teams die Grundlagen der VWL oder BWL kennen. Ausgewählte Wettbewerbe, die nach meinen Erfahrungen sehr gut passen für die Einführungsstufe, sind zum Beispiel Jugend gründet oder JUNIOR. Mein Kollege macht dann noch das Planspiel Börse von den Sparkassen. Zusätzlich gibt es noch verschiedene geschichtliche oder politische Wettbewerbe. In der 11. Klasse geht es etwas höher ran an die schwierigeren Wettbewerbe – da gehen wir primär zu business@school. Das zweite Projekt ist dann wieder Jugend gründet, für Leute, die das gerne nochmal machen wollen. Das dritte, anspruchsvolle Projekt ist der Deutsche Gründerpreis für Schüler, ein Businessplan-Wettbewerb mit hohem Niveau in neun Aufgaben gegliedert. In der 12. Klasse konzentrieren sich fast alle auf das Abitur. Aber mit meinem Kollegen zusammen bieten wir zusätzlich einen sehr anspruchsvollen Wettbewerb zur internationalen Geldpolitik der Europäischen Zentralbank an: Generation €uro.

Was macht vermutlich den Schlüssel zu Ihren Erfolgen aus?

Ich denke, der Schlüssel des Erfolgs bei diesen verschiedenen Aktivitäten liegt darin, dass die Schüler bei dem einen Projekt z. B. Wissen zu BWL oder VWL lernen, und dann beim nächsten Mal z. B. bei Jugend gründet schon richtig gut sind, weil sie wissen, worauf es ankommt. So ist dieser systematisch gestufte Aufbau, glaube ich, strategisch sehr hilfreich für gezielten Aufbau von Soft Skills plus der Hardware, Wissen und Fähigkeiten.

Was zeichnet Ihrer Meinung nach schulische Entrepreneurship-Education-Projekte aus?

Das Ziel ist es, dass die Schüler die eigene Verantwortung für ihr Projekt haben. Das ist kein Unterricht, sondern eine freiwillige (!) Arbeitsgemeinschaft — das ist für mich sehr wichtig. Dann gibt es eine Art Mentoren-System mit Unternehmenscoaches, also Experten aus Unternehmen, die die Schüler extern betreuen. Zusätzlich nutzen wir die Erfahrung der älteren Schülerjahrgänge als „Senior-Coaches“, das ist sehr, sehr hilfreich, und direkt von Schüler zu Schüler!

Was ist Ihre persönliche Motivation, diese verschiedenen Wettbewerbe an Ihrer Schule anzubieten?

Ich glaube, wenn Sie die Schüler fragen, die würden sagen, „Der Rauh macht das gerne, weil es Freude bringt, zu sehen, wie sie wachsen. Und weil sie bei den Finals und Zwischenfinals die anderen Schülerteams und die anderen Kollegen treffen“. Es wird auch meistens ein schönes Rahmenprogramm geboten. Die Hauptmotivation ist aber für mich, dass es den Schülern Spaß macht. Und wenn es denen Spaß macht, und wenn die mitziehen, ziehe ich auch mit. Ich habe keine Angst vor Arbeit. Es war auch eine Motivation, als die Schüler an meiner alten Schule nicht mehr „Guten Tag, Herr Rauh“, sondern „Hey Coach“ sagten — das fand ich irgendwie cool. Man ist dann eher so der „Lehrerfreund“, also nicht der autoritäre Lehrer, sondern das ist dann eine halbe Ebene drunter, und das gefällt mir gut.

Was raten Sie Ihren Schülern? „Macht bei diesen Wettbewerben mit, weil…“

Das macht in jedem Fall immer Freude, weil man wahnsinnig viel lernt: über sich selbst, über die anderen durch die Teamarbeit, auch über seine eigenen Schwierigkeiten und Stärken und die Schwierigkeiten und Stärken der anderen. Es macht halt Spaß, im Wettbewerb mit anderen zu sehen: „Was können wir besser?“, „Was kann ich von denen lernen?“ oder „Das will ich auch mal probieren“. Die Schüler lernen auch fachlich sehr viel. Vor allem durch diesem vernetzen, systematisch aufbauenden, projektorientierten Ansatz.

Was nehmen Ihre Schüler am Ende mit?

Auf jeden Fall die soziale Orientierung, die Soft Skills der Arbeit im Team. Auch die Erkenntnis, dass man Dinge planen muss. Und was ich auch ganz häufig höre: dass sie gelernt haben, eine Präsentation ordentlich aufzubauen, Folien und die Storyline ordentlich zu strukturieren. Also das sind so Dinge, die eigentlich alle mitnehmen. Auch für die Abiturprüfung: die schneiden im Schnitt eine Note besser in Präsentationen ab. Am meisten bestärkt mich der Satz eines Jugend-gründet-Siegers: „Dieser Wettbewerb hat mein Leben verändert! Ich bin jetzt selbst Gründer. Es ist viel Arbeit, und wahnsinnig aufregend!“