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Aus der Praxis

Ich hätte gerne, dass möglichst viele junge Leute erleben, was sie mit Leistung alles erreichen können.

Frank Wagner arbeitet an den Beruflichen Schulen in Bebra und unterrichtet in der 11. und 12. Klasse der Fachoberschule Wirtschaft und Informatik. Besondere Erfahrungen mit Entrepreneurship Education hat er aber schon davor an der Konrad-Zuse-Schule in Hünfeld gemacht. Highlight war der Gesamtsieg eines von ihm als Lehrercoach betreuten Schülerinnen-Teams bei „Jugend gründet“ im Wettbewerbsjahr 2013/2014.

Das Gespräch wurde vom RKW Kompetenzzentrum durchgeführt.

Herr Wagner, bevor Sie Lehrer wurden, waren Sie in der Wirtschaft tätig?

Genau. Ich bin Diplomkaufmann und habe u. a. Personalwesen und Controlling studiert. Ich hatte das große Glück, in einem großen Unternehmen in beiden Bereichen länger Berufserfahrung sammeln zu können. Zuerst habe ich eineinhalb Jahre im Controlling gearbeitet und anschließend sechs Jahre in der zentralen Personalabteilung. Mein Referendariat begann 2003. Seit 2005 habe ich eine feste Stelle.

Wie sind Sie auf das Thema Entrepreneurship Education gestoßen?

Das Fach Unternehmensgründung ist im Lehrplan der Fachoberschule für den zweiten Ausbildungsabschnitt – sprich die 12. Klasse – fest verankert im hessischen Lehrplan. Ich bin folglich gezwungen, meine Schüler damit zu belästigen. Und ich formuliere das bewusst so, weil ich vorweg immer zum Spaß frage: „Wen von Euch interessiert das?“ Und ganz vorsichtig melden sich ein bis maximal zwei SchülerInnen. Aber am Ende des Schuljahres sagen immer viele: „Hey, das war das Geilste, was wir jemals im Unterricht gemacht haben!“ Dann denken auch wirklich ein paar wenige – aber immerhin – darüber nach: „Unternehmensgründung ist vielleicht gar nicht ganz so weit weg für uns.“ Da passiert was mit den jungen Menschen, wenn sie sich auf dem Niveau, das „Jugend gründet“ ihnen abverlangt, damit beschäftigen.

Sie verwenden Jugend gründet als Baustein ihres Unterrichts?

Ja. Als ich beauftragt wurde, das Fach Unternehmensgründung zu unterrichten, habe ich damals einfach mal im Internet geschaut, was es gibt, um das Thema für die SchülerInnen spannender und praxisnäher zu gestalten. Das habe ich in einer von meinen drei Klassen im ganz Kleinen ausprobiert. Da wurde mir schnell klar, dass der Lehrplan und die Inhalte von „Jugend gründet“ sehr eng beieinanderliegen und sich regelrecht ergänzen. Ein Schülerteam aus dieser Klasse hat gleich ein Zwischenfinale – das fand in Düsseldorf statt – bei „Jugend gründet“ erreicht. Das Event war für die SchülerInnen und mich unglaublich bereichernd, motivierend und begeisternd. Diese Erfahrung konnte ich in den nächsten Jahren immer wieder in meine Klassen hineintragen. Seitdem habe ich „Jugend gründet“ in allen Klassen, in denen ich unterrichten durfte, umgesetzt. Die besonders erfolgreichen Teams fangen schon früh an, das Unterrichtsfach auch in das private Umfeld mit zu übernehmen. Da passiert nachmittags noch viel, auch ohne mich.

Was motiviert die SchülerInnen, sich bei „Jugend gründet“ anzumelden?

Die SchülerInnen sind zuerst mal extrinsisch motiviert: „Da gibt es etwas zu gewinnen!“ Und zwar durchaus spannende Sachen. Das ist die Anschubmotivation, die sie möglicherweise auch brauchen, damit sie ihre Bequemlichkeit überwinden und anfangen, selbstständig arbeiten zu wollen. Wenn sie dann ihre Produktidee gefunden haben und erkennen, „Mensch, daraus könnte echt etwas werden!“, läuft es erfahrungsgemäß ganz von alleine. Ab da wird es für die SchülerInnen richtig toll. Die intrinsische Motivation kommt also ganz automatisch dazu. Es ist jedoch leider wie bei anderen Unterrichtsformen auch, es gibt immer ein paar SchülerInnen, die kann man nicht gut erreichen. Das sind so 10 bis 15 Prozent, die keine richtig große Lust drauf haben. Das Schöne ist, dass die anderen SchülerInnen weitgehend so selbstständig arbeiten, dass man diese kleine Gruppe von weniger Motivierten sehr intensiv betreuen und aktivieren kann.

Was sind Methoden, mit denen man das machen kann?

Motivation kann man durch Gespräche transportieren, indem man zum Beispiel einfach sagt: „Hey, du kannst das – da haben wir es gerade gesehen – mach weiter so!“ Oder indem man den SchülerInnen verständlich macht, dass sie für ihren Lernprozess und ihren Lernerfolg selbst verantwortlich sind. Natürlich gehört auch das Vermitteln von Vertrauen dazu. Das müssen sie spüren.

Eine weitere Möglichkeit ist, Erfolgserlebnisse zu generieren. Unabhängig von „Jugend gründet“ habe ich eine ganze Menge positive Erlebnisse in meinen Unterricht eingebaut. Zum Beispiel konnte ich die Wirtschaftsjunioren gewinnen, die Businesspläne meiner SchülerInnen zu lesen und sich mit ihnen zusammenzusetzen und sie zu beraten. Das hat einen starken Anreiz, weil die Schüler sehen: „Da setzen sich richtige Unternehmenschefs mit mir zusammen und nehmen mich ernst und helfen mir dabei, meine Leistungen noch zu verbessern.“ Menschen aus dem Wirtschaftsleben werden deutlich anders wahrgenommen als Lehrkräfte, die sie jeden Tag sehen. Einen vergleichbaren Effekt hat auch die Investorenmesse, die ich an der Schule organisiere. Da kommen ebenfalls Menschen aus der Wirtschaft. Die müssen von den SchülerInnen in einem 5-Minuten-Vortrag von ihrer Produktidee und vom Team überzeugt werden.

Wie kommen die SchülerInnen auf ihre Produktideen?

Eine Idee für ein innovatives Produkt zu finden, welches es noch nicht auf dem Markt gibt, das ist der schwierigste Teil im Wettbewerb. Wenn die SchülerInnen das geschafft haben, klappt es mit der Formulierung des Businessplans erfahrungsgemäß sehr gut. Begeistert von ihrer Idee haben die SchülerInnen dann nämlich eine hohe Motivation alles perfekt auszuarbeiten.

Die Ideenfindung funktioniert letztendlich nur mit Kreativitätstechniken. Und da bin ich glücklich, dass „Jugend gründet“ einen Überblick über geeignete Kreativitätstechniken im Internet zusammengestellt hat. Die SchülerInnen suchen sich selbst aus, was sie nutzen. Ich berate die SchülerInnen diesbezüglich auch individuell. Fantasievollen SchülerInnen schlage ich beispielsweise die Walt-Disney-Methode vor. Für nüchternere Menschen sind dagegen andere Methoden passender.

Die SchülerInnen lernen also viel über Kreativitätsprozesse. In welchen Bereichen entwickeln sie sich noch weiter?

Die Fachkompetenz nimmt deutlich zu. Insbesondere weil sie Unterrichtsinhalte im Bereich Wirtschaft und Projektmanagement auch gleich praktisch anwenden und ausprobieren können. Das ist nicht irgendein theoretischer Unterricht, in dem Inhalte nur auswendig gelernt werden. Diese Art des Lernens verlangt den SchülerInnen eine ganz andere und nachhaltigere Gedächtnisleistung ab. Sie lernen auch viel über Teamarbeit. Anfangs ist das immer mit Holpereien verbunden, weil sie sich erst einmal abstimmen und finden müssen. Also dass alle mitrudern und nicht einer die Füße hochlegt und Zeitung liest. Meilensteine setzen, Termine verabreden und auch einhalten will erst gelernt sein. Die Zusammenarbeit wird im Laufe des Schuljahres deutlich besser. Und sie lernen zu präsentieren. Am Ende sind sie in der Lage, ihre Produktidee begeistert und professionell vorzustellen. Das ist auch etwas, was sie in ihrem zukünftigen Berufsleben unbedingt brauchen und verwenden können. Die TeamleaderInnen lernen auch viel über das Thema Führung.

Was zeichnet gute TeamleaderInnen aus?

Gute TeamleaderInnen stellen sich selbst nicht in den Vordergrund, sondern machen einfach. Sie stellen Leistung vorweg. Sie fangen an zu arbeiten, unabhängig davon, ob der Rest der Gruppe etwas macht. Die anderen werden so unter Zugzwang gesetzt und fangen plötzlich auch an, etwas beizutragen. Sie machen dies aber ohne die anderen zu erdrücken. Denn letztendlich muss es eine Teamleistung sein. Und nicht eine Einzelleistung, die von anderen irgendwie mehr recht als schlecht mitgetragen wird.

Im Wettbewerbsjahr 2013/2014 hat ein von Ihnen betreutes Schülerinnenteam eine ganz besondere Teamleistung vollbracht und ist bei „Jugend gründet“ Bundessieger geworden. Sie haben das Team auf die Siegerreise ins Silicon Valley begleitet. Welche Eindrücke haben sie von dort mit nach Hause genommen?

Das Besondere an dieser Amerikareise war, dass Professor Högsdal aus Stuttgart uns dort an die Hotspots der amerikanischen Gründerszene geführt hat. In San Francisco und im Silicon Valley war die Innovationskraft fast körperlich zu spüren. Ich war total geflasht von diesen unglaublich kreativen Menschen, die dort im Prinzip täglich alles hinterfragen und auf Tausende von neuen Ideen kommen. Das ist auf die Schülerinnen und mich übergeschwappt. Wir haben dort sofort ganz viele spannende Ideen gehabt, wie wir Produkte erfinden und vermarkten können. Unter anderem hatten wir auch ein Treffen mit dem Gründer eines großen Computerspieleherstellers. Und der Mann hat sich eineinhalb Stunden Zeit genommen, sich mit der Produktidee der Schülerinnen auseinanderzusetzen. Und hat gesagt: „Mädels, gute Idee, müsst ihr unbedingt weiter verfolgen!“ Das hat die Schülerinnen absolut beeindruckt. Wir sind aktuell dabei, das Produkt schützen zu lassen und hoffen, dass wir es irgendwann einmal wirklich auf den Straßen Deutschlands sehen werden.

Was sind die persönlichen Anreize für Sie, „Jugend gründet“ durchzuführen?

Zu einem Zwischenfinale oder Finale zu fahren, in einem schicken Hotel zu übernachten, besondere Persönlichkeiten kennenzulernen, ist auch für mich sehr angenehm. Aber was mich viel stärker motiviert – weil ich mir das alles ja auch kaufen könnte – ist, die SchülerInnen in diesem Umfeld zu sehen. Und das ist auch das, was mich für die Zukunft antreibt. Ich habe gesehen, was solche Erfolge mit jungen Menschen machen. Dass da auf einmal leuchtende Augen entstehen. Und die mit einem ganz anderen Selbstbewusstsein durch die Welt laufen, weil sie besondere Erfahrungen gemacht haben. Das möchte ich noch möglichst vielen anderen SchülerInnen ermöglichen. Ich hätte gerne, dass möglichst viele junge Leute erleben, was sie mit Leistung alles erreichen können. Und dass sie diese Grunderkenntnis für ihr Leben mitnehmen können. Also dass ich letztendlich durch meine Lernangebote Menschenleben im positiven Sinne nachhaltig bereichern kann.